«Hilfe holen, bevor der Schuldenberg anwächst»

von Mario Roncoroni

Interview mit einer Klientin

Im Sommer vor vier Jahren meldete sich Frau A. in unserer Telefonberatung. Frau A. ist mittleren Alters und gut ausgebildet. Sie hatte sich in den vorangehenden Jahren schleichend verschuldet. Gesamthaft belief sich der Schuldenberg schlussendlich auf rund Fr. 150'000.00. Nach dreijähriger Sanierungszeit mit einem engen Budget ist Frau A. heute froh, wieder schuldenfrei zu sein.

Wie hat ihre Verschuldungsgeschichte begonnen?

Es hat sich langsam über die Jahre in diese Richtung entwickelt, da ich doch sehr leicht zu Geld von Banken kam und ich jeweils anstehende Steuerschulden und andere offene Rechnungen mit Geld aus Kleinkrediten bezahlte. Auch war ich im Besitz von drei Kreditkarten mit Limiten bis 10'000 Franken! Ich hatte eine gute und sichere Arbeitsstelle, wo ich sehr gut verdiente und konnte die Raten immer bezahlen. Ich lebte gut, ging oft aus und gönnte mir grössere und kleinere Reisen. Ich lebte immer etwas auf zu grossem Fuss.

Nach über 20 Jahren verlor ich meine Arbeitsstelle. Während der langen Arbeitssuche wuchsen mir die Schulden über den Kopf und ich konnte meine Raten nicht mehr bezahlen.

Was war ausschlaggebend, dass Sie sich Hilfe gesucht haben?

Ich suchte über ein Jahr nach einer neuen Aufgabe und fand schlussendliche eine Anstellung, die aber vorerst nur befristet war. Eine meiner Kreditraten war versichert – diese Versicherung zahlte 12 Monate, danach musste ich die Rate wieder selber übernehmen. Das liess das Fass überlaufen und ich brauchte Hilfe. Ich wusste von der Berner Schuldenberatung. Trotzdem wartete ich lange, bis ich den Mut fand, den Kontakt aufzunehmen, und ich schämte mich auch sehr.

Wie haben Sie die Zusammenarbeit mit der Berner Schuldenberatung erlebt?

Ich fühlte mich sofort verstanden. Endlich wurde mir geholfen. Mir wurde klar gemacht, dass es ein langer Weg werden könnte, und ich wusste auch, dass dies meine einzige und letzte Chance war. Anfang Dezember wurde ich dann per neuem Jahr fest angestellt. Was für eine Erleichterung! Einer Sanierung stand nichts mehr im Weg.

Was war positiv, was eher schwierig?

Die Last war weg, ich hatte keine Angst mehr vor den bösen Briefen der Gläubiger, ich konnte alles an meine Beraterin weiterleiten. Auch die Steuern wurden immer direkt bezahlt. Die Verhandlungen wurden nur noch über die Berner Schuldenberatung geführt. Ich hatte zwar nicht viel Geld zur Verfügung, aber ich war befreit und hatte keine Angst mehr, am Abend in den Briefkasten zu schauen.

Ich stellte fest, dass man mit wenig Geld schnell an den Rand der Gesellschaft gerät. Gerade in der Schweiz läuft sehr vieles nur über Geld und wer wenig hat, hat nicht viel Möglichkeiten, am öffentlichen Leben teilzunehmen.

Ich persönlich hatte öfters ein schlechtes Gewissen, wenn ich mir etwas gönnte: ein Essen auswärts, Kino, mal ein Konzert oder einen Ausflug. Meist war es so, dass ich die ersten zwei Wochen nach der Auszahlung des Lohns normal lebte und dass dann noch zwei enge Wochen kamen. Ich zog mich also in den zwei Wochen vor dem nächsten Lohn eher zurück.

Im Sommer 2018 mussten Sie das letzte Mal eine Rate überweisen. Die Schuldensanierung ist geschafft. Wenn Sie rückblickend an die Zeit während der Schuldensanierung denken, an was erinnern sie sich?

An ein enges Budget! Bei jedem Einkauf musste ich genau überlegen, was ich zu welchem Preis kaufe und ob ich das nun auch wirklich brauche. Diese Gedanken habe ich eigentlich immer noch und das halte ich nicht für schlecht für mich persönlich. Und ja, in meinem Umfeld wussten nur ganz wenige Leute Bescheid, ich zog mich auch von einigen zurück.

Was hat Ihnen während dieser Zeit geholfen, die Sanierung durchzustehen?

Drei Jahre waren irgendwie absehbar – und die Zeit vergeht schnell. Manchmal habe ich mich auch belohnt: So habe ich immer Fünfliber in ein Kässeli getan, und Ende Monat gab es schnell mal ein Abendessen oder sonst eine kleine Belohnung.

Was würden Sie betroffenen Personen raten?

Hilfe holen, bevor die Schulden zum Berg werden. Budgetberatungen in Anspruch nehmen und ja, wenn es geht, ein bisschen Geld sparen, Steuern, Krankenkasse immer bezahlen und – ja keine Kleinkredite aufnehmen!

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